Polit-Talk mit Serap Güler
Am 30. Juni 2020 setzten wir unseren Politik-Talk auf Instagram fort. Der Stargast des Abends war Frau Serap Güler, die seit 2017 das Amt der Staatssekretärin für Integration des Landes Nordrhein-Westfalen bekleidet.
Zu Beginn des Gesprächs stellte sich Serap Güler vor. Geboren wurde sie als Kind türkischer Gastarbeiter*innen im Ruhrgebiet; heute lebt sie mit Ihrem Ehemann in Köln und fühlt sich eng mit der Familie verbunden. An der Universität Duisburg-Essen studierte sie Kommunikationswissenschaft und Germanistik und schloss dieses Studium mit einer Magisterarbeit über Integration ab. „Ein Thema, das sie nicht loslassen wollte bzw. sie nicht losgelassen hat“, wie sie betont. Ihre politische Sozialisation fand hauptsächlich an der hiesigen Universität statt. Denn sie selbst kommt aus einem unpolitischen Elternhaus, das sich eher für die türkische Tagespolitik interessiert als für aktuelle Themen, die Deutschland betreffen. Nach dem Studium arbeitete sie als Referentin für den damaligen „ersten Integrationsminister in Deutschland“, der jetzt als NRW-Ministerpräsident erneut „ihr Chef ist“: Armin Laschet. Seiner Partei, die Christlich-Demokratische-Union (CDU), trat sie mit der Zeit dann bei. Warum ausgerechnet eine Muslima CDU-Mitglied wird? „Das C in der CDU habe ich nie als Christenklub verstanden. Das D war mir wichtiger“, entgegnet uns Frau Güler. Sicherlich gebe es viele unterschiedliche Gründe, die Menschen dazu bewegen würden, Mitglied einer Partei werden. Für sie stand das Menschenbild, welches die CDU propagiert, im Vordergrund, aber auch Werte wie Solidarität und Leistungsfähigkeit. Zudem gebe es viele CDU-Mitglieder mit Migrationshintergrund, die politische Verantwortung übernommen haben, wie z. B. in Ratshäusern oder in Bezirksvertretungen auf kommunaler Ebene, erläutert Frau Güler. Dabei weisen wir auf das folgende Problem hin: Sie werden – gewollt oder ungewollt – mit dem Thema Integration in Verbindung gebracht, obwohl sich diese für andere Themen interessieren: z. B. Verkehrs- oder Finanzpolitik. Frau Güler kann diese Kritik verstehen und möchte anderen Mut machen: Man solle verbalisieren, dass man eben nicht der*die Integrationsexperte*in sei, sondern sich auch für andere politische Themen interessiere. Das betrifft auch das Thema Kandidatur. Es gebe diverse Gründe, warum Menschen mit Migrationshintergrund nicht kandidieren würden. Man dürfe sich nicht unterbuttern lassen und für seine*ihre politischen Ideen und Überzeugungen kämpfen. Sie selbst fühlt sich nicht in dieses Thema hineingedrückt, weil sie sich mit diesem Thema wissenschaftlich beschäftigt hat und es gerne fachlich begleitet: „Integration ist immer wieder ein aktuelles Thema. Ich sehe dies als meine Aufgabe an, dieses Thema in NRW und auch darüber hinaus wieder positiv zu besetzen, weil es nicht immer positiv assoziiert wird“. Ein Punkt ist sicherlich, dass viele Menschen Rassismus im Alltag erleben müssen. Wenn jemand rassistisch angegangen wird, solle man situationsbezogen reagieren: „mal diplomatisch, mal weniger diplomatisch“, sagt Frau Güler. Auch sei es keine richtige Debatte, erst über Rassismus zu sprechen, wenn man selbst davon betroffen sei. Alle müssen für dieses Thema sensibilisiert sein. Im privaten Umfeld fängt das häufig mit einem Witz an und setzt sich in der Öffentlichkeit fort: So habe auch Satire ihre Grenze im Rahmen der Verfassung – und zwar, wenn die Menschenwürde verletzt wird. Grundsätzlich „sind Solidarität und Respekt Grundpfeiler einer Gesellschaft“. Gerade die Corona-Krise habe gezeigt, dass wir auch eine solidarische Gesellschaft seien, ist sie sich sicher.
Frau Güler ist deutschlandweit viel unterwegs, da sie Mitglied im CDU-Bundesvorstand ist.
Sie habe viele politische Termine gehabt, aber als sie die Familien der Opfer in Solingen besucht habe, sagt sie mit trauriger Stimme: „Das war der schwierigste politische Termin. Ich habe Mevlüde Genc 2008 kennengelernt. Jedes Mal, wenn sie darüber spricht, merkt man den Schmerz. Dieser Schmerz ist frisch“. Sie könne nachvollziehen, dass sich manch einer hilflos fühle und unfassbar traurig oder wütend sei. Daher sei es umso wichtiger, dauerhaft die Stimme zu erheben. Denn aus Worten – auf unwissentlicher, unbedachter oder subtiler Weise – können schnell Taten werden. Das fängt auf der Straße an und hört nicht im Parlament auf: Bis zur Landtagswahl 2017 habe sie keine Anfeindungen im Landtag Nordrhein-Westfalen erlebt. Zwar habe man sich durchaus inhaltlich und sachlich mit den anderen Fraktionen im Landtag gestritten, aber andere Fraktionen haben sich für ihre Herkunft oder ihre Religion nicht interessiert, was „auch Privatsache“ sei. „Mit dem Einzug der AfD ist das jetzt anders“. Allerdings ist sie optimistisch: „Von 5 Fraktionen, die im Landtag NRW vertreten sind, sind 4 Demokraten. Alle 4 haben es sich zur Aufgabe gemacht, die AfD bei der nächsten Landtagswahl 2022 dort nicht mehr sehen zu müssen. Das macht mir persönlich Mut, als Serap Güler persönlich, aber auch als Politikerin!“. Die Zeit wird zeigen, ob sie Recht hat.