Online-Vortrag mit Dr. Soliman
Bericht über den Online-Vortrag von Frau Dr. Asmaa Soliman
Die Aktionswoche gegen Antimuslimischem Rassismus hat vom 24. Juni bis zum 01. Juli in diesem Jahr stattgefunden. Da wir unter anderem seit Anfang dieses Jahres ein Teil des Kompetenznetzwerks zur Prävention von Islam- und Muslimfeindlichkeit sind, welches im Rahmen des BMFSFJ-Bundesprogramms „Demokratie leben!“ gefördert wird, sehen wir es in unserer Verpflichtung, an dieser Aktionswoche teilzunehmen und mitzuwirken. Dies haben wir durch unterschiedliche Formate, unteranderem durch einen Zusammenschluss mit Claim-Allianz (https://www.claim-allianz.de/) und einen professionellen Online-Vortrag zum Thema „Kritische Stimmen zu Antimuslimischen Rassismus in digitalen Räumen“ mit Frau Dr. Asmaa Soliman ermöglicht.
Dr. Asmaa Soliman ist Leiterin der Jungen Islam Konferenz bei der Schwarzkopf-Stiftung Junges Europa. Die Sozialwissenschaftlerin hat in Maastricht und London studiert, wo sie auch promovierte. Hieraus entstand ihr „Buch European Muslims Transforming the Public Sphere“, worin sie das Engagement junger Muslim*innen in der Öffentlichkeit untersucht. Sie hat zu ihren Schwerpunkten Islam in Europa, Diversität und interkulturelle Verständigung sowohl geforscht und gelehrt als auch Projekte koordiniert.
Die anti-muslimische Stimmung in Deutschland hat Auswirkungen auf viele der in Deutschland lebenden Muslim*innen, die sehr frustriert über den öffentlichen Diskurs sind. Insbesondere zeigen sich innerhalb der jüngeren Generationen ein auffällig hohes Engagement in verschiedenen Bereichen der Öffentlichkeit, indem sie den anti-muslimischen Rassismus nicht nur kritisieren, sondern dieser Kritik auch ihr eigenes Selbstbild gegenüberstellen. In diesem Vortrag wurde diese brisante Thematik anhand von mehreren Beispielen im Bereich der digitalen Medien beleuchtet.
Was die Expertin über kritische Stimmen zu antimuslimischem Rassismus in digitalen Räumen zu sagen hatte…
Zu Beginn hat Frau Soliman deutlich gemacht, dass dies eigentlich kein schönes Thema sei, aber umso wichtiger sei es, darüber zu sprechen und sich auszutauschen. Die Ausgangsfrage lautete: Wie äußern sich junge Musliminnen und Muslime in digitalen Räumen zu antimuslimischem Rassismus und wie gehen sie öffentlich damit um?
Der analoge und digitale Kontext sei negativ geladen und es herrsche eine antimuslimisch-rassistische Öffentlichkeit. Muslime werden konfrontiert mit Diskursen, Medienbildern, mit politischen Äußerungen, die negativ gegenüber dem Islam und den Muslimen gegenüber eingestellt sind. Demnach würden sich Muslime in einem schwierigen Kontext befinden.
Dennoch betont Soliman, dass Jugendliche stärkeres Interesse daran zeigen, an öffentlichen Debatten, in Form von Kunst, Kultur und Medien, teilzunehmen. Viele nutzen hierfür ihre Social Media Accounts, um unter anderem auf antimuslimischen Rassismus hinzuweisen und gegebenenfalls auch zu kritisieren.
Als Beispiel in der Social-Media Welt, hat die Referentin die Datteltäter- mit der Selbstbezeichnung „Satirekalifat im Herzen der YouTube-Szene“ als Gegenöffentlichkeiten, die mit der Mainstream-Öffentlichkeit unzufrieden sind und sich kritisch gegenüber der dominierenden Gesellschaft äußern, vorgestellt. Die Datteltäter seien im Kontext von Entgegenwirkung von antimuslimischem Rassismus ein gutes Beispiel. Ihre Videos thematisieren muslimisches Leben in Deutschland sowie stereotypische Vorurteile. Dabei werden Stimmen von jungen Muslim*innen erhoben und Sorgen über antimuslimischen Rassismus im Bundestag und die Gefahr der möglichen Übertragung dessen in die Gesellschaft geäußert. Der thematische Orientierungspunkt liegt hierbei: Wo liegt die Grenze zwischen Kritik und Diskriminierung? Soliman nennt noch weitere Kritikpunkte, welche insbesondere junge Muslime äußern: Die von außen erfolgte Zuschreibung von „guter vs. schlechter Muslim“ sowie, das immer wieder eine Gleichsetzung von Islam und politischem Islam und Islam mit Gewalt und Terrorismus folgt.
Um die entgegengebrachten Kritikpunkte zu verdeutlichen, wurden im Vortrag zwei Videos ausgestrahlt, worin antimuslimischer Rassismus in alltäglichen Situationen behandelt wurde.
Thematisch wurden in den Videos der antimuslimische Rassismus und die Diskriminierung im Arbeitsmarkt dargestellt. Merkmale, wie das Kopftuch, wurden bei einer Bewerberin als Ausschlusskriterium für die Arbeitsstelle bewertet. Darüber hinaus wurden ihr Qualifikationen abgesprochen, gefolgt von Stereotypen und Vorurteilen. Wichtig sei an dieser Stelle noch zu betonen, so Soliman, dass die vorgestellten rassismuskritischen Einwände nur einen Bruchteil des vorherrschenden Rassismusproblems darstellen. Denn nicht jede von Rassismus betroffene Person kann oder möchte in der Öffentlichkeit darüber sprechen. Genau dieser Umstand sei traurig und gefährlich zugleich. Rassismuserfahrungen bestimmen bei vielen Muslim*innen einen Teil ihres Alltags, sodass der betroffenen Person aufgrund der Häufigkeit der widerfahrenden Erlebnisse nicht immer bewusst ist oder sie nicht immer die Lust oder Kraft hat, jedes Mal darauf reagieren zu müssen.
Schlussfolgerung: Junge Muslim*innen nutzen digitale Medien, um Gegenöffentlichkeiten zu entwickeln und antimuslimischem Rassismus entgegenzuwirken. „Das ist eine schöne Entwicklung. Damit schaffen es Muslim*innen an dem Öffentlichkeitsdiskurs teilzunehmen. Dennoch ist die Erreichbarkeit relativ gering.“, so Soliman.
Die größte Gefahr in der Öffentlichkeit besteht laut Soliman darin, dass „Rassismus immer alltäglicher wird und dadurch auch manchmal an Relevanz verliert. Das ist ganz schwierig und gefährlich.“
Neben den vorherrschenden Problemen in der Gesellschaft hat die Expertin im weiteren Schritt mögliche Lösungsansätze auf die Frage „wie kann man gegen antimuslimischen Rassismus vorgehen und trotzdem im Diskurs effektiv bleiben?“ formuliert.
Dabei hat sie für eine gesunde Mischung aus Gegen- und Mainstreamöffentlichkeit plädiert: Es müsse ein geschützter Raum geschaffen werden, wo die Freiheit gegeben ist, das zu sagen, was man wünscht, ohne Druck von Seiten der Mainstream-Öffentlichkeit zu spüren. Muslime seien zu unterrepräsentiert, sei es in der Politik oder in den Medien.
Nach dem inhaltlichen Input folgte eine Fragerunde an die Teilnehmenden:
Eine Teilnehmerin hat gefragt, wie ein Netzwerk etabliert werden könne, um antimuslimischen Rassismus vorzubeugen. Dr. Soliman hat mit einer Gegenfrage geantwortet: „Wie schaffen wir es eher nachhaltig zu sein? Wie schaffen wir es, dass diejenigen, die engagiert sein möchten, auch dieses Engagement nicht verlieren?“
Dazu seien regelmäßige Treffen und der Austausch von höchsten Nöten.
Eine weitere Frage lautete: Wie können junge Schüler*innen muslimischen Glaubens, die Rassismus und Diskriminierung in der Schule erfahren, gestärkt werden? Schließlich mangele es an Anlaufstellen und Betreuungen der Schüler*innen.
Zum Thema Rassismus in der Schule wies Dr. Soliman darauf hin, dass die Vernetzung in dem Schulalter am schwierigsten sei. Ihre Forderung lautet hierzu: „Innerhalb der verschiedenen Institutionen- dazu zählt die Schule- sollten Antidiskriminierungsverantwortliche eingestellt werden, welche den von Rassismus betroffenen Personen, Unterstützung leisten und sie in ihrer Laufbahn ermutigen.“ Ein weiteres Anliegen Solimans liegt in der Stärkung und Sensibilisierung von Lehrkräften: „Viele Lehrer sind nicht sensibilisiert auf das Thema Rassismus.“ Daher seien antirassistische Workshops unerlässlich. „Da ist noch viel Bedarf an Verbesserung“, verdeutlichte Soliman. Doch auch hier zeigt sich: Eine Zusammenarbeit von Politiker*innen und den Ministerien ist unerlässlich.