Polit-Talk mit Omid Nouipour
„Es ist das Privileg meines Lebens“
Omid Nouripour, geboren 1975 in Teheran, sitzt seit 2006 für Bündnis 90/ Die Grünen im Deutschen Bundestag. Als er 13 ist, verlassen seine Eltern mit ihm und seiner älteren Schwester den Iran. Nouripours Schwester darf dort aus “ideologischen Gründen” nicht studieren, seine Mutter sich nicht politisch engagieren. Ein Jahr später hätte er aufgrund der Wehrpflicht nicht mehr ausreisen dürfen.
Der Entschluss aus dem Iran zu flüchten, wird im Familienrat gefällt. Nouripour, seine Mutter und seine Schwester stimmen dafür. Sein Vater, der den Iran nicht verlassen will, wird überstimmt. Das Ziel ist Frankfurt am Main, wo die Familie in den 1970-er Jahren eine Wohnung gekauft hatte.
Angekommen in Deutschland, fühlt sich Nouripour einerseits wie im Paradies. Er lebt nun in Frieden und in einem Rechtsstaat. Er muss nicht mehr lange anstehen, um Milch zu kaufen; keine Klassenfahrt an die Front mehr machen. Andererseits hat er sein ganzes bisheriges Leben zurückgelassen. „Jede Flucht ist ein Trauma. Alle, die ihre Heimat verlieren, sind davon traumatisiert“ sagt Nouripour. Er selbst gewöhnt sich schnell an die neuen Verhältnisse und an die Sprache, für seine Eltern ist es deutlich schwieriger.
Der Eintritt bei den Grünen
Mit 21 Jahren tritt Nouripour den Grünen bei, politisch interessiert war er aber schon als Kind. Irgendwann sieht er Cem Özdemir im Fernsehen und realisiert, dass auch er in Deutschland Politik machen kann. Er überlegt, ob er den Grünen oder der SPD beitreten soll. Andere Parteien kommen überhaupt nicht in Frage. Die Grünen werden es, weil er die Partei schon damals als post racial wahrnimmt: Seine Herkunft spielt dort keine Rolle.
2006 rückt Nouripour für Joschka Fischer in den Bundestag nach. Fischer informiert ihn ein Jahr vorher über seinen Rückzug aus der Politik, so dass Nouripour genug Zeit hat, um sich vorzubereiten – und die nutzt er. Wenn er den Plenarsaal betritt, ist es für ihn immer noch das höchste der Gefühle: „Es ist das Privileg meines Lebens.“
„Ich bin alt aber fresh, weil ich keine Schwachen bash“
In unserem Gespräch improvisiert Nouripour diesen Reim. Er liebt Rap-Musik, vor allem die aus Frankfurt. Vor seinem Einzug in den Bundestag verspricht er auch am Rednerpult des Plenarsaals zu rappen. Die Gelegenheit hat sich noch nicht ergeben, aber er will das Versprechen noch einlösen.
Auch Nouripour bekommt Hass-Mails. Bei Drohungen erstattet er sofort Anzeige. Er weiß, was die Absender*innen mit solchen Nachrichten bezwecken. Sie wollen ihn einschüchtern; wollen, dass er sich aus der Politik zurückzieht. Gerade das spornt ihn an, sich noch intensiver seiner Arbeit zu widmen. Manche Mails bringen ihn auch zum Schmunzeln: „Diese Orthographie ruiniert das Abendland“.