Polit-Talk mit Mahmut Özdemir
Mit 14 in die SPD
Als Mahmut Özdemir – mit Cem von den Grünen weder verwandt noch verschwägert – im Jahr 2013 in den Deutschen Bundestag gewählt wird, ist er der damals jüngste Abgeordnete in der Geschichte der Bundesrepublik. Vorher hatte Özdemir, dessen Großeltern mütterlicherseits aus der Türkei nach Deutschland gekommen waren, jahrelang für die Landtagsfraktion der NRWSPD gearbeitet und dort Gefallen an der großen Politik gefunden.
Özdemir sagt, es habe ihm in seiner Jugend an nichts gefehlt, obwohl seine Eltern beide voll berufstätig im Schichtbetrieb gearbeitet haben. Nach dem Abitur studiert Özdemir Jura, erfährt aber schon in der Schule diskriminierende Bemerkungen und Behandlungen – ausgerechnet durch einige Lehrer. An der Uni (Özdemir studierte in Düsseldorf) ist Rassismus kein Thema (mehr). Özdemir studiert zu einer Zeit, in der er Studiengebühren bezahlen muss und Studienjobs braucht, den er in der Landtagsfraktion der SPD fand– und er sieht die SPD in der Pflicht, sich für kostenlosen Zugang zu allen Bildungsmöglichkeiten und Abschlüssen einzusetzen.
Sein Motto: selbst anpacken und politisch aktiv werden
Zu den Jusos kommt der gebürtige Homberger schon mit zwölf Jahren, sieht aber rasch, dass sein Anliegen – als passionierter Skater will er eine Skaterbahn im Ort durchsetzen – keine große Aufmerksamkeit findet. Mit 14 tritt Özdemir der SPD bei und wird nur wenige Wochen darauf Vorsitzender des Juso-Ortsvereins. Er erkennt, dass man Ziele nur erreicht, wenn man politisch aktiv ist.
Mit 26 Jahren wird Özdemir der damals jüngste Bundestagsabgeordnete der Republik. Als junges Mitglied des Bundestags macht er die Erfahrung, dass man ihm und seiner Generation in der Politik keine Fehler zugesteht, die ältere und erfahrenere Politiker jedoch machen dürfen. Die wichtigste Eigenschaft sei jedoch, gut zuhören zu können.
Die AfD ist eine Bedrohung für das Parlament
Was Mahmut Özdemir seit einigen Jahren umtreibt, ist der politische Drift nach rechts – die Salonfähigkeit von antidemokratischen und rassistischen Einstellungen. Abgeordnete der AfD nennt er hier explizit. Die einfachen Antworten, die rechte und populistische Politiker den Menschen heute geben, seien zwar hier und da gefragt – aber eben nicht die richtigen Antworten auf die aktuellen Herausforderungen, findet Özdemir.
Mit dem Innenausschuss des Bundestags hat Özdemir seinen Wunsch-Ausschuss gefunden, dem er seit 2013 angehört. Zudem ist er Mitglied im Untersuchungsausschuss zum Attentat am Berliner Breitscheidplatz. Attentätern spricht er jedes Recht kategorisch ab, sich auf einen Glauben berufen zu dürfen. Und nicht zuletzt ist Özdemir sportpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion.
Warum gibt es generell wenige Politiker*innen mit Migrationshintergrund?
Özdemir hat nie Migrations- oder Integrationspolitik gemacht. Er plädiert dafür, allen Menschen Teilhabe anzubieten, ganz gleich welchen Hintergrund oder welche Hautfarbe sie haben. Er ist dafür, zukünftig mehr Gelder in die Diskriminierungsprävention zu stecken – hier (in der Diskriminierung, auch im Alltagsrassismus) sieht Özdemir das größte Problem unserer Gesellschaft. Hier schließt sich der Kreis zu den Erfahrungen, die er selbst in der Schule gemacht hat. Özdemir ist sogar der Überzeugung, dass Migrations- und Integrationspolitik in Deutschland überflüssig wäre, wenn die vorherrschende Diskriminierung bekämpft wird. Was das politische Engagement der Menschen mit Migrationshintergrund anbelangt, rät er, dass diese nicht den Fehler machen sollten, in der Integrations- oder Migrationspolitik tätig zu werden.
Was empfiehlt Özdemir, wenn Menschen diskriminiert werden? Er zieht als Vergleich die eigene Kindheit und Jugend heran, wo er viel verdeckten Rassismus erlebt hat. Heute findet die Diskriminierung offener statt – und gleichzeitig, nämlich im Internet, auch anonymer. Beleidigungen und Beschimpfungen sollte man offen Einhalt gebieten – zunächst aber vor allem diplomatisch.