Polit-Talk mit Bijan Dijr-Sarai
Der lange Weg in die Politik
Vom Torhüter zum Angreifer – so, wie sich Bijan Dijr-Sarai auf dem Fußballplatz positionsweise nach vorn gearbeitet hat, ist er auch in der Politik vom FDP-Kreisvorsitzenden zum Bundestagsabgeordneten und Mitglied im FDP-Bundesparteivorstand geworden. Sein politisches Hauptziel war und ist eine weltoffene und tolerante Gesellschaft und die Stärkung der Bürgerrechte.
Der Grevenbroicher kommt 1987 – mit elf Jahren – zu seinem Onkel nach Deutschland, seine Eltern bleiben im Iran. Sein Vater hatte vorher bereits in Deutschland studiert. Obwohl Dijr-Sarai kein Deutsch spricht, besteht der Onkel darauf, den Jungen aufs Gymnasium zu schicken, wo er das Abitur schafft und zum BWL-Studium nach Köln zieht. Von der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung erhält er in dieser Zeit ein Stipendium.
Die politische Laufbahn
Erwachsener zieht es ihn in die FDP, wo er für eine liberale und weltoffene Gesellschaft streiten möchte. Mit 29 Jahren kandidiert er für die Partei im Wahlkreis 109 (Neuss, Grevenbroich, Dormagen, Rommerskirchen) für den Bundestag – und scheitert zunächst, 2009 schließlich gelingt ihm der Einzug ins Parlament.
Nachdem die FDP 2013 bei der Wahl an der Fünf-Prozent-Hürde scheitert und er seinen Sitz als Abgeordneter verliert, strebt Dijr-Sarai 2017 erneut das Bundestagsmandat an und schafft es über die Landesliste. Was ist seine Motivation immer wieder anzutreten? Vom ersten Versuch 2005 an will er der Gesellschaft etwas zurückgeben, aber als MdB auch versuchen, seinen politischen Idealismus durchzusetzen.
Politische Metamorphose
Wie sieht Dijr-Sarai seine persönliche Entwicklung als Politiker? Zwar verändere der Mensch natürlich die Politik, doch diese verändere auch den Menschen, sagt Dijr-Sarai. Zudem wandle sich die Welt, was sich gerade in der Außen- und Sicherheitspolitik – seinem politischen Steckenpferd – bemerkbar mache.
Durch das Internet und Social Media wohnt jedoch auch der Abgeordnetenarbeit ein grundlegender Wandel inne. Und der Mensch verwandelt sich mit, so Dijr-Sarai. Wäre er Mitglied der Bundesregierung, wären innen- und außenpolitische Aufgaben für ihn vorstellbar.
Politiker mit Migrationshintergrund
Als Spiegelbild der Gesellschaft, das der Bundestag ist, gehören Politiker mit Migrationshintergrund unbedingt ins Parlament, sagt Dijr-Sarai. Unabhängig von der Herkunft sei politisches Engagement enorm wichtig – genauer gesagt: parteipolitisches Engagement. Jugendlichen mit Migrationshintergrund müsse man das noch deutlicher sagen, da es nicht nur den Bundestag als Ort der politischen Teilhabe gibt. Die Themenfelder Zuwanderung und Integration sieht er als große Chance für unser Land.
Eigene Erfahrungen mit Diskriminierung und Rassismus
Als Jugendlicher hat Dijr-Sarai gelegentlich negative Erfahrungen gemacht. Vor allem prangert er in diesem Zusammenhang versteckte Diskriminierung an. Dabei gehe es oft um Dinge, die nicht grundsätzlich rassistisch gemeint seien, es aber in Wahrheit doch sind: etwa Aussagen wie „Wie ist das denn bei euch?“ oder „Du sprichst aber gut deutsch!“. Wo Dijr-Sarai es kann, bekämpft er Rassismus und diskriminierende Äußerungen – seinem Eindruck zufolge verschärfen sich gewisse Trends hier seit einiger Zeit.
Und Tipps für junge Menschen mit Migrationshintergrund, damit diese sich (mehr) engagieren? Für Dijr-Sarai beginnt das vor der Haustür: das Sich-Einbringen an dem Ort, an dem man auch lebt. Jeder könne einen Beitrag leisten, die Demokratie lebe davon. Allerdings weiß er auch, dass Menschen mit Migrationshintergrund oft die Tür vor der Nase zugschlagen wird. Hier müsse man aber hartnäckig bleiben – es zahle sich aus.
Im Herbst 2021 tritt Dijr-Sarai wieder für die FDP in seinem Wahlkreis für den Bundestag an. Er wünscht sich, dass wir alle gut durch die Pandemie kommen. Doch erst nach der Pandemie werde man die Auswirkungen bearbeiten müssen – und dann fängt die eigentliche Arbeit erst an.