Polit-Talk mit Aydan Özoğuz
Am 22. Juni haben wir unseren Politik-Talk mit der Bundestagsabgeordneten und der ehemaligen Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, Aydan Özoğuz, via Instagram-Live fortgesetzt. Als Kind türkischer Kaufleute ist Frau Özoğuz in Hamburg geboren worden und dort auch aufgewachsen. Auch ihren akademischen Werdegang hat sie in der hiesigen Hansestadt absolviert. Seit 2009 ist sie direkt gewähltes Mitglied des Deutschen Bundestags.
Bereits zu Beginn unseres Live Interviews hat Frau Özoğuz die Vielfältigkeit unserer Gesellschaft betont: „Ich habe mir damals gewünscht, dass es junge Menschen gibt, die Einwanderungsgeschichten und auch andere Religionen als das Christentum mitbringen, neue Ideen haben und sich einbringen können.“
Mit diesem positiven Einstieg interessierte uns vor allem die politische Laufbahn der Politikerin. Hierzu stellte sie zunächst klar: „Politik ist nicht immer einfach“. Im Hinblick auf Menschen mit Migrationsgeschichte wies Özoğuz darauf hin, dass sie noch eine Minderheit im Bundestag darstellen, aber es gibt sie: sie sind hörbar.
Auf die Frage, wie man es schaffen könne, Politik für Jugendliche attraktiv zu machen, sagte die Politikerin: „Da gibt es Jugendliche, die wollen schon mitmischen, aber wissen nicht so richtig, wie.
Damit das gelingt, müssen beide Seiten- die Jugendlichen als auch die Älteren- zusammen einen Teil des Weges gehen“. Zwar gebe es eine höhere Bereitschaft von Jugendlichen, in die Politik zu gehen und da auch mitzumischen, aber im Großen und Ganzen falle es immer noch zu gering aus. Abgesehen von der mangelnden Parteiidentifikation von Jugendlichen bemängelt Frau Özoğuz, dass sehr wenige junge Frauen politisch aktiv sind. „Um gezielt junge Frauen anzusprechen, würde ich gerne neue Wege finden“, sagt sie.
Dabei fallen die motivierenden Worte der Politikerin in besonderem Maße auf: „Die Türen stehen heute für junge Menschen offen wie nie zuvor“.
Neben den neugierigen Fragen zur politischen Laufbahn interessierte uns vor allem auch das Thema Rassismus und der Zusammenhang zur Politik. Özoğuz sagte diesbezüglich: „Dass Menschen weltweit aktiv werden, sich gegen Diskriminierung und Ausgrenzung einsetzen, das ist Politik; wenn man wirklich aufsteht und etwas sagt, ob es durch soziale Medien ist oder anders.“
Neben der Aufmerksamkeit auf Rassismus im Gesamtkontext interessierte uns auch das Thema Rassismus im Bundestag: Gibt es überhaupt Rassismuserfahrungen im Bundestag?
Vorsichtig machte Özoguz verständlich: „Streit gehört dazu, Streit gehört zur Demokratie.“ Was Frau Özoğuz jedoch abstößt, sei „immer wieder persönlich angegriffen zu werden, mir die Worte zu verdrehen und ein falsches Bild von mir zu entwerfen – und das immer mit dem Hintergrund, ich als Muslimin“.
Stets betonte sie auch, dass viele nicht unbedingt mit einer rechtsextremen Partei sympathisieren, aber es noch lange nicht normal finden, wenn eine Türkeistämmige oder eine Muslimin etwas zur
deutschen Leitkultur zu sagen hat. „Da habe ich gemerkt, das ist nicht selbstverständlich. Und auch in den Kabinetten und Regierungen ist Vielfalt noch lange keine Selbstverständlichkeit."
Mit Zuversicht zeichnete Özoğuz ein positives Bild. Denn es gebe viele andere, die die Vielheit als eine Bereicherung für unsere Gesellschaft anerkennen und es falsch finden, dass man angegangen wird. Gemeinsam müsse man das durchhalten.
In der Zeit von 2013 bis 2018 war Özoğuz Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration. Welche Herausforderungen und Hindernisse sind ihr in dieser Zeit begegnet?
Diese Zeit sei durchaus herausfordernd gewesen: Wichtige Themen wie Staatsangehörigkeit und Bewerbungen sowie Bildung sollen im Tagesprogramm gestanden haben: Läuft alles mit den Bewerbungen gut? Wieso macht es einen Unterschied, ob man einen türkischen oder deutschen Namen hat? All diese Themen sollen etwas zurückgedrängt worden sein. Sich um die geflüchteten Menschen zu kümmern, ist eine sehr wichtige Aufgabe, die nicht außer Acht gelassen werden darf. Zumindest konnte Frau Özoğuz die Bundeskanzlerin dazu überreden, einen Integrationsgipfel zum Thema Ausbildung, Berufe und einen zum Thema Gesundheitsbereich zu machen. „Schritt für Schritt ist was passiert“, betont die Bundestagsabgeordnete. Auch soll es viele Vorbehalte ihr gegenüber aufgrund ihrer muslimischen Identität gegeben haben. Doch gleichzeitig sollen auch viele zu ihr gehalten und ihr Mut machend gesagt haben: „Halte durch! Und das versuche ich jetzt an Jüngere weiterzugeben und wirklich viel zu unterstützen, sodass sich diese die politische Arbeit abgucken können und nicht sofort abgeschreckt sind.“ Zum Abschluss des Gesprächs interessierte uns ihre Einschätzung zur muslimischen Jugendarbeit: Die muslimische Jugendarbeit basiert vordergründing immer noch auf Ehrenamtlichkeit. Viele muslimische Jugendvereine kommen hauptsächlich in den Genuss zeitlich begrenzter Projektförderung. Eine Regelförderung liegt noch in sehr weiter Ferne. Frau Özoğuz betont, dass im Hinblick auf die muslimische Verbandsarbeit das strukturelle Problem bis heute nicht gelöst und die Finanzierung bei den Muslimen relativ intransparent sei. Eine Regelfinanzierung laufe immer über die einzelnen Länder. Mit einem positiven Schlusswort machte sie deutlich, dass es sich trotzdem lohnt, darüber nachzudenken, wie man zur Vereinbarung kommen kann, wo gewisse Arbeiten, die man macht, finanziert werden können.
Wir danken Frau Özoğuz für diese authentische Begegnung und den teils privaten Einblick in ihre politische Laufbahn. Für uns nehmen wir mit: Politik ist nicht immer einfach, aber es lohnt sich!