Panel Diskussion
Muslimische Jugendarbeit – Wo stehen wir? Wo wollen wir hin?
Deutschlandweit gibt es viele muslimische Jugendvereine, die hinsichtlich ihrer Organisation, Aktivitäten und Zielsetzungen sehr heterogen sind: Bei einigen liegt beispielsweise der Fokus auf Kunst, Kultur oder politische Bildung; bei anderen sehr stark auf Spiritualität. Manche sind unabhängig und agieren selbstständig, andere wiederum sind einem Mutterverein unterstellt. Natürlich gibt es auch welche, bei denen eine Mischung aus allem anzutreffen ist. Doch war die muslimische Jugendarbeit immer schon so vielfältig? In einer von uns durchgeführten Online-Panel-Diskussion verrieten uns zwei Referent*innen, wie die Entwicklung hierzulande verlief und welche aktuellen Herausforderungen überwinden werden müssen.
Fokus auf Empowermentstrategien
Erst seit kurzem ist Ouassima Laabich-Mansour Doktorandin in den Politikwissenschaften an der Freien Universität Berlin und forscht zu Empowermentstrategien. Sie hat sich viele Jahre in der muslimischen Jugendarbeit engagiert: mit dem Fokus auf Vernetzungs- und Empowermentarbeit. Als freiberufliche Beraterin und Referentin arbeitet sie heute zu den Themen Rassismuskritik, Partizipation, kritische Zukunftsforschung und soziale Innovationen.
Gründer und Vorstandsvorsitzender von JUMA e.V.
Derzeit studiert Dennis Sadiq Kirschbaum Politik und Philosophie auf Lehramt in Berlin. Bereits seit über zehn Jahren setzt er sich für muslimische Jugendliche ein. Er ist Gründer und Vorstandsvorsitzender des Vereins JUMA ("JUng, Muslimisch, Aktiv"). Zudem ist er in der außerschulischen politischen Bildungsarbeit tätig und hat dabei seinen Schwerpunkt auf Antirassismus, Feminismus und koloniale Kontinuitäten gelegt.
Muslimisches Leben in Deutschland: Gastarbeiter*innen-Generation
Aktives muslimisches Leben hierzulande sei ein junges Phänomen, auch wenn es bereits im 17. und 18. Jahrhundert bereits Bezüge gegeben habe, stellt Kirschbaum zu Beginn seines Vortrages klar. Erst mit der Generation der Gastarbeiter*innen wurde das muslimische Leben in Deutschland sichtbar. Damals stand der Bau von Moscheen nicht im Fokus, da viele Gastarbeiter*innen davon ausgegangen sind, nur für einen kurzen Zeitraum in Deutschland zu verweilen – die Wirklichkeit ist heute natürlich eine andere. Damals haben Muslim*innen Kirchen sowie andere Gotteshäuser und Räumlichkeiten aufgesucht, um gemeinsam zu beten oder einen Tee trinken zu können. Im Laufe der Zeit änderten sich die Rahmenbedingungen für viele Gastarbeiter*innen – und ihre Nachfahren begannen, ihre eigenen Interessen zu artikulieren und für diese in der gesellschaftlichen und politischen Arena zu kämpfen. Waren früher Angebote in der Muttersprache der Herkunftsländer dominierend, so werden diese heute zunehmend in deutscher Sprache angeboten.
Ohne das Ehrenamt stünden wir nicht da, wo wir heute sind.
Heutzutage gibt es in fast allen deutschen Großstädten Moscheen mit gültigen Satzungen. Die Vorstände werden ordnungsgemäß in Mitgliederversammlungen gewählt und inzwischen gibt es fast in jeder Moschee eine Gruppe von Jugendlichen, die Jugendarbeit anbietet. Diese vielen positiven Entwicklungen sind das Ergebnis langjähriger, harter Arbeit – und diese fand fast ausschließlich auf ehrenamtlicher Basis statt. Natürlich gab und gibt es heutzutage noch Projektbewilligungen, die jedoch nur von kurzer Dauer sind. Ohne das große ehrenamtliche Engagement der vorigen Generationen und der heutigen Jugendlichen wäre die muslimische Jugendarbeit hierzulande nicht da, wo sie heute ist. In einigen Fällen wäre sie nicht überlebensfähig. Daher kann man nicht aufhören, DANKE zu sagen.
Fehlende Ressourcen und antimuslimische Tendenzen
Strukturelle Barrieren und fehlende finanzielle Mittel, die nachhaltiger und zielgenauer sein müssten, sind große Steine, die der Professionalisierung der muslimischen Jugendarbeit im Wege stehen. Viele Projekte sind nur von kurzer Dauer und orientieren sich eher am sicherheitspolitischen Interesse und Präventionslogiken – und erst danach eventuell für Jugendpolitik im klassischen Sinne. Insofern muss hierbei hegemonial ein Wandel stattfinden: mit Fokus auf Bedarfe der muslimischen Jugendarbeit. Zwar gibt es durchaus gute Kooperationen zwischen muslimischen, anti-rassistischen und nicht-muslimischen Mitstreiter*innen, aber damit haben sich antimuslimische Tendenzen und Rassismus nicht in Luft aufgelöst – vor dem Hintergrund der (inter-)nationalen Ereignisse und sich fortschreibender Policies.
Bündnis für muslimische Jugendarbeit?!
Um in den Genuss nachhaltiger Jugendförderung zu kommen und diese zu professionalisieren, haben sich einige muslimische Jugendvereine zusammengeschlossen und möchten das Bündnis für muslimische Jugendarbeit ins Leben rufen. Es sind auch schon Arbeitsgruppen gebildet worden, die sich beispielsweise um die Satzung oder die Öffentlichkeitsarbeit kümmern werden. Alle Beteiligten sind sich einig: Gemeinsam sind wir als Akteur:innen der muslimischen Jugendarbeit stark und sichtbar! Gemeinsam gestalten wir demokratische Aushandlungsprozesse mit und artikulieren unsere Forderungen, Bedarfe und Angebote für die hiesige Gesellschaft. Auf der letzten Sitzung wurde auch schon der Name gefunden: das Bündnis für muslimische Jugendarbeit. Auf die weitere Entwicklung sind wir alle gespannt und sind zuversichtlich, dass unsere Arbeit bald ihre ersten Früchte tragen wird!
Wir danken Frau Ouassima Laabich-Mansour und Herrn Dennis Sadiq Kirschbaum für Ihren Input und den Austausch mit den Teilnehmenden.