In unserem Live-Talk sprachen wir mit Filiz Polat. Sie stammt aus Bramsche in Niedersachsen, ihr Vater kam als junger Student aus der Türkei nach Deutschland und wurde hier Arzt. Ihre Mutter wirkte bei der Gründung der Grünen in Bramsche mit. 1994 trat Filiz Polat in die Partei ein und gründete umgehend die Grüne Jugend in ihrer Heimatstadt. Sie war von 2004 bis 2017 Landtagsmitglied in Hannover und zog 2017 vom dritten Platz der grünen Landesliste in Niedersachsen in den Bundestag ein.
Filiz Polat zog mit 16 nach Münster, um dort ihr Abitur zu absolvieren. Es folgte ein Studium der Volkswissenschaften in Frankfurt. Ihr Zuhause war und ist bis heute die Gegend um Bramsche und Osnabrück, auch politisch. Ihre Wahlkreise für den Landtag und den Bundestag lagen immer hier. Nach der Gründung der Grünen Jugend trieb sie sofort lokalpolitische Projekte an. Damals hatte sie noch nicht den Plan, Politik beruflich zu machen. Doch es ging schnell:
Nach ihrem Einzug in den Landtag 2004 war Polat die jüngste Abgeordnete – und die erste mit sogenanntem Migrationshintergrund, worüber auch türkische Medien berichteten. Das junge Alter empfand sie nicht als Hindernis. Im Gegenteil: Sie wurde stets offen empfangen und ihr sei auf Augenhöhe begegnet worden. Nach 12 Jahren als Landtagsabgeordnete kandidierte Filiz Polat für den Bundestag. Ihre Motivation sei es gewesen, die verschärfte Migrations- und Flüchtlingspolitik, die die Unionsparteien durchgesetzt hatte, in Berlin zu bekämpfen.
In die Bundesregierung?
Wären die Grünen Teil der Regierung, dann bliebe für Filiz Polat das Parlament die Herzkammer der Demokratie, denn dieses kontrolliert schließlich das Regierungshandeln und bestimmt über den Bundeshaushalt. Wichtiger ist ihr als Politikerin zu vermitteln, dass Politik für alle da ist, jede*r könne einen politischen Weg einschlagen. Als Ansporn für andere, diesen Weg zu gehen, bietet Polat häufig Praktika und Mentoring-Programme. Viele blieben dann regelrecht in der Politik hängen und möchten die Chance ergreifen. Interessierte können außerdem den klassischen Weg über Jugendorganisationen und den Parteieintritt gehen.
Filiz Polat hat in ihrer Jugend nur selten Erfahrungen mit Rassismus machen müssen. Jedoch war die erste Post als Abgeordnete in Niedersachsen, die sie jemals erhalten hat, eine Morddrohung. Davon hat sie sich aber nur kurz beeindrucken lassen.
Wie geht man in die Politik?
Wer politisch aktiv werden möchte, der*dem rät Filiz Polat dazu, sich ein Thema zu suchen, gern auch auf lokaler Ebene, und dann zu sehen, wer die eigene Position am ehesten vertritt. Menschen mit Migrationshintergrund werden zu oft in Ausschüsse gesetzt, die sich mit Migration und Integration befassen. Das habe sie selbst erlebt, ursprünglich war dies nicht ihr Kernthema. Später hat sie sich diesem Thema freiwillig zugewandt, auch damit die Politik als Ganzes chancengerechter wird.
Eine weitere Empfehlung: In der kommunalen Politik lerne man das Handwerk von der Pike auf. Zwei Wünsche von Filiz Polat für 2021 lauten: ein Regierungswechsel in Berlin, der die Union in die Opposition zwingt. Außerdem soll die AfD aus den Parlamenten fliegen.