Am 7. Dezember fand die Auftaktveranstaltung der Deutschen Islam Konferenz für die 20. Legislaturperiode statt. Der Bundesvorsitzende des Muslimischen Jugendwerks, Taner Beklen, nahm wie auch schon bei den DIK-Werkstattgesprächen im Mai zwecks inhaltlicher Vorbereitung, teil und wirkte bei der Auftaktveranstaltung als Podiumsteilnehmer mit.
Die Deutsche Islam Konferenz (kurz: DIK) ist seit 2006 das zentrale Forum für den Dialog zwischen Staat und Muslim:innen in Deutschland. Vertreter:innen des Bundes, der Länder und der Kommunen tauschen sie hier mit islamischen Dachverbänden und der muslimischen Zivilgesellschaft aus. Ebenfalls dabei: Kirchen, Zentralrat der Juden, Wissenschaft und Medien.
Zentrale Themen dieser Legislaturperiode und Gegenstand der Auftaktveranstaltung waren folgende Punkte:
- Maßnahmen gegen Muslimfeindlichkeit
- Selbstorganisation der Muslim:innen
- Fortschritte bei der Imam-Ausbildung in Deutschland
- Entwicklung islamischer Seelsorge
Ministerin Nancy Faeser kündigt „Ausstieg von der Imam-Entsendung“ an
Die DIK-Auftaktveranstaltung, mittlerweile in der fünften Periode, wurde von der Bundesinnenministerin Nancy Faeser eröffnet. Frau Faeser läutete in ihrer Begrüßung vor allen Dingen den „Einstieg in den Ausstieg von der Imam-Entsendung“ ein. Sie wünsche sich, dass in Zukunft immer mehr Imame in Deutschland ausgebildet werden, die hier aufgewachsen und sozialisiert sind und weniger Imame aus dem Ausland entsendet werden. Offen blieb die Frage, wer die Imame finanzieren soll. Schon seit vielen Jahren werden Forderungen laut, die Imam-Entsendung aus dem Ausland zu beenden. Die unterfinanzierten Moscheen sind aber nicht in der Lage, eigene Imame zu bezahlen. Es wurden auch Forderungen laut, den Beruf des Imams attraktiver zu gestalten.
Ministerin Faeser kündigte auch an, den Kampf gegen Muslimfeindlichkeit zu stärken und Sicherheitsfragen aus der DIK herauszunehmen. In der Vergangenheit wurde zu Recht kritisiert, dass die Politik die DIK mit Sicherheitsfragen überlagert hat und der Anschein erweckt wurde, als seien diese Fragen allein das Problem der Muslim:innen (Anschein des Generalverdachts). Ministerin Faeser thematisierte auch die geringe Sichtbarkeit muslimischen Engagements, insbesondere im Bereich der Frauen- und Jugendarbeit. Die Schaffung von Strukturen und die Sichtbarmachung dieses wichtigen Engagements unterstütze sie ausdrücklich.
Taner Beklen, der Bundesvorsitzende des Muslimischen Jugendwerks, nahm als Teilnehmer an der Podiumsdiskussion zum Thema „Muslimisches Engagement in Staat und Gesellschaft – Herausforderungen, Akteure, Impulse“ teil und stellte in erster Linie die Arbeit von muslimischen Jugendverbänden vor und verdeutlichte ihre gesamtgesellschaftliche Relevanz.
Angebote muslimischer Jugendverbände müssen strukturell abgesichert werden
Taner Beklen hob hervor, dass die muslimische Jugendverbandsarbeit in Deutschland nicht abgesichert sei. Es gäbe immer wieder neue muslimische Jugendprojekte oder -initiativen, auch meist von Dritten ins Leben gerufen, jedoch würden diese Angebote nach Ablauf ihrer Projektlaufzeit wieder enden. Mit dem Muslimischen Jugendwerk wolle man ein nachhaltiges Angebot für muslimische Kinder und Jugendliche schaffen. „Es ist jedoch schwierig, den Nachfragen gerecht zu werden, wenn es keine gesicherte Struktur gibt und hauptamtliche Mitarbeiter:innen fehlen, die die Nachhaltigkeit der Arbeit gewährleisten“, betont Taner Beklen. Es gäbe keinen Raum und keine nachhaltigen Angebote für muslimische Kinder und Jugendliche außerhalb der Moscheegemeinden, so wie man sie aus den christlichen oder auch anderen Jugendverbänden kennt. Es sei zwar rechtlich vorgesehen, dass die Kinder- und Jugendhilfe finanziell unterstützt wird, von dieser Förderung würden aber zurzeit keine muslimischen Jugendverbände profitieren können. „Muslimische Jugendverbände hängen meist am Tropf von Projektförderungen und hangeln sich von einem kleinen Projekt zum nächsten. Ihre Arbeit ist jedoch finanziell wie strukturell nicht gesichert und die hohe Nachfrage an Angeboten bleibt unbeantwortet. Durch Projektkooperationen werden muslimische Jugendverbände in die Abhängigkeit von anderen Verbänden gedrängt, was nicht selten im Paternalismus endet.“, kritisiert Taner Beklen. Aktuelle Beobachtungen würden zudem zeigen, dass muslimische Kinder und Jugendliche aufgrund fehlender Angebote in die Fänge radikaler Gruppen geraten, die in sozialen Medien wie beispielsweise TikTok, „bessere“ Angebote machen können und durch sogenannte „TikTok-Imame“ radikale Inhalte und gefährliche Ansichten verbreiten. Taner Beklen warnt aber davor, die Arbeit muslimischer Jugendverbände auf die Präventionsarbeit zu reduzieren. Vielmehr sei es notwendig, unabhängige muslimische Jugendverbände strukturell zu stärken und ihre Arbeit finanziell abzusichern, damit ihre Angebote auf Dauer angelegt sind. Damit würde man als positiver Nebeneffekt auch weniger Raum für radikale Gruppen lassen und die Angebotslücke für muslimische Kinder und Jugendliche schließen.
Forderung nach der Einbindung von mehr Jugendlichen
Leider waren bei der Auftaktveranstaltung muslimische Jugendliche unterrepräsentiert. „Dabei würde es der DIK gut tun, mehr junge Muslim:innen und ihre Perspektiven aktiv einzubinden. Wenn wir über die Zukunft des Islams und der Muslim:innen in Deutschland diskutieren, dann gehören die Stimmen junger Menschen unbedingt hierher. Anders als die Verbandsvertreter:innen der großen Verbände, die sich manchmal im verbandstaktischen Kleinklein verlieren, sind junge Muslim:innen progressiver und würden mit ihren Beiträgen die DIK um eine wichtige Perspektive erweitern“, erklärt Taner Beklen.
Der Sozialdienst muslimischer Frauen (SmF e. V.) hat auch über die Auftaktveranstaltung berichtet, dort heißt es u.a.:
"Im zweiten Teil der DIK-Auftaktveranstaltung war auch das Frauenengagement ein Gesprächsthema. Es konnte aber nur über sie gesprochen werden statt mit ihnen, denn sie saßen nicht auf dem Podium. Das zivilgesellschaftliche Engagement von Jugendlichen und die Rolle der Kommunen in der Einbindung muslimischer Organisationen auf lokaler Ebene konnten dagegen bei der DIK platziert werden. Der Vorsitzende des Muslimischen Jugendwerks (MJW) hat klar und deutlich darauf hingewiesen, dass ohne Strukturförderung die Jugendverbände die Nachfragen nicht stillen können. Er machte deutlich, dass die Mitgliedschaftszahlen mit Beitragszahlungen in muslimischen Jugendorganisationen schwach sind. Die Jugendlichen hielten sich bei Fragen der Mitgliedschaft in muslimischen Organisationen zurück, weil sie befürchteten, Verdächtigungen ausgesetzt zu werden. Muslimische Jugendorganisationen seien auf Kooperationen mit etablierten Trägern der Jugendarbeit angewiesen. Doch hier gelte es, Paternalismus und Abhängigkeiten zu vermeiden."